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Volkhard Sanne, „sleeping screens“

 

 

 

„sleeping screens“

 

 

 

Die Arbeiten von Patrick Lemke vermitteln dem Betrachter das Gefühl, mit einer neuen Form der Malerei konfrontiert zu sein. Eine Form, die sich mit dem gängigen Vokabular schwer beschreiben lässt. Sie ist abstrakt wie zugleich auch gegenständlich. Diese Art zu malen, lässt unschwer den Einfluss seines Lehrers Markus Lüpertz, dessen Meisterschüler und Preisträger er war, erkennen.

Lüpertz äußerte sich in einem Interview mit dem Charlottenburger Kunstmagazin 1984 so: „Wir (die neuen Wilden) malten abstrakt– mit gegenständlichen Dingen; wir nahmen den Gegenstand nicht als Bedeutung oder Inhalt, sondern als unsinnigen, gewissermaßen in einer dritten Art der Abstraktion. Uns interessierte nicht der Inhalt, den er darstellte, sondern seine Magie, was durchaus ein surreales Moment hat, präziser ein poetisches Moment.“

Patrick Lemke neigt zu Gegensätzen bis hin zur Provokation. Es fällt eine Polarität zwischen Realismus und Abstraktion ins Auge: gegenständliche Malerei bis hin zu naiven versus romantischen Grundauffassungen, die er abstrakt umsetzt.

Patrick Lemke hat mit der Zeit ein Repertoire verschiedener Gestaltungselemente geschaffen, aus dem er immer wieder neue und sich doch ähnliche Bilder formt. Die Bildstruktur der einzelnen Werke wird oft nur geringfügig variiert, so dass sie sich zu seriellen Gruppen zusammenstellen lassen.

Patrick Lemkes Formensprache assoziiert Verwandlung und Beschleunigung, Linien, Kreise, Quadrate und Rechtecke schaffen zusätzliche Bildebenen. Große Formate überwältigen nicht, sondern binden den Betrachter psychisch wie physisch in das Bildgeschehen ein. Seine Bilder verlangen selbstbewusste, emanzipierte Betrachter, sie lösen beim Betrachter einen intellektuellen Vorgang aus. Es lohnt sich, sie lang genug genau zu betrachten, Sehschablonen zu verlassen, die Gelegenheit zu nutzen, in die Schule eines anderen Anschauens zu gehen.

Ist es ein Abendhimmel, glutrot bei untergehender Sonne am Meer, wir alle können uns an derartige Momente sicherlich erinnern, Bin ich ein so kleiner Mensch, wie ihn Patrick Lemke auf dem Bild „4 Tropfen Rot“ gemalt hat. Unendlich klein vor diesem großen Panorama, dennoch groß genug, um einen langen Schatten zu werfen. Sind es Gedanken oder Träume, die dieser Mensch vor dieser wunderbaren Naturkulisse freisetzt? Aufsteigen lässt in Form dieser immer größer werdenden Kreise. Seifenblasen ähnlich, die möglicherweise bald zerplatzen oder werden sie über den Bildrand hinaus getragen – ja wohin?

Handelt es sich bei einem anderen Bild mit grün als dominante Farbe, um einen Waldrand, vor dessen Kulisse wir uns aufbauen, unser kleines Interieur schaffen?

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Oder das Titelbild unserer Einladung. Welch Füllhorn wird hier ausgeschüttet? Musikliebhaber werden vielleicht im Überschwang der Gefühle einen bunten Strauß von Tönen erkennen wollen, sich in ein Furioso versetzen können. (Ich habe mittlerweile erfahren, dass die Inspiration zu dem Titelbild der Einladung, „Istanbuler Gelb“ einen anderen Ursprung hat. Er geht auf die Mosaikmalerei in einem Istanbuler Harem zurück: Es stellt sich natürlich gleich die Frage: Was hat der Künstler…, aber diese Frage stelle ich hier nicht, ich wollte auch nur wissen, warum gelb?) Wie auch immer, für mich setzt sich der Künstler während seiner kreativen Prozesse mit der Natur auseinander, gleichsam auch mit sich selbst, als Teil der Natur.

Patrick Lemke will die Natur nicht illustrieren. Seine Reflexion der Natur ist in eine Bildsprache übersetzt, die wir weder, wir sind wieder bei Lüpertz, als abstrakt noch als gegenständlich bezeichnen können. Wie soll man seine Kunst bezeichnen? Hat Patrick Lemke bereits in so jungen Jahren eine individuelle und unverwechselbare künstlerische Sprache entwickelt? Wenn man das Interesse von Galeristen, Kuratoren von Ausstellungen und Messen, Auslobender von Stipendien, sowie eines kleinen Kreises von Sammlern richtig interpretiert, vermutlich ja. (Für das augenblickliche Stipendium der Starke Foundation Berlin wurde er aus Kreis von mehreren Hundert Bewerbern ausgewählt).

Patrick Lemkes Bilder haben, durch lange Trocknungszeiten, oft einen mehrwöchigen Entstehungsprozess. Er malt meist mit Öl und sprüht Lack, oft in mehreren Arbeitsschritten, in mehreren Schichten, auf grundierte Leinwand. Er lässt Farbe aus größeren Abständen auf die auf den Boden liegende Leinwand tropfen um sie unter zur Hilfenahme von Terpentin aufzulösen und in seine für ihn typischen Farbflächen zu verweben.

 

 Volkhard Sanne